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Get Ready (2001)
zwischen den rillen Alte Herrlichkeit: New Order pubertieren wieder Manchesters Beste Von Manchester sollte man sich ausschließlich im Spätherbst verzaubern lassen, wenn es dauernd regnet. Man sollte in einem sehr dunklen Mantel mit hochgestelltem Kragen in den Straßen unruhig wandern, ab und zu bei Plattenläden halt machen, zum Aufwärmen im Dry 201 in der Oldham Street endlos Tee trinken und sich dann Zu Hause fühlen. Viel Kraft muss man sich hier fürs Nachtleben sparen. Es ist, als spielten in diesem 460.000-Einwohner-Nest immer noch Abend für Abend mehr einheimische Bands als in London und Hamburg zusammen. Und das, obwohl es jetzt schon mehr als 20 Jahre her ist, als hier die Arbeitslosenquote und Verelendung schlimmer denn je waren, man aber gleichzeitig annehmen musste, dass plötzlich alle tolle Musik im Königreich des Pop aus Manchester kommt. Hier wurde der tieftraurigste Postpunk erfunden und gepflegt, den man sich vorstellen kann. Eine heißblütige Melancholie, die man auch heute noch nicht nur in der Stadt spürt, sondern auch in der Musik der zwanzig Jahre alten Band New Order, die sich nach achtjähriger Pause, wie so viele Helden der Achtziger, noch mal für ein neues Album zusammengerauft haben.
Beim ersten Hören klingt "Get Ready" wie ein besseres Britpop-Album. Häufig macht ein Frauen- oder Jungschor "heyhey", "uhuhu" oder "yeahyeah". Oh, du große Wichsergeste! Gitarren tun groß, tun sehr groß "wahwah". Der junge Hipster ohne musikalische Herzensbildung könnte denken: Blur-Verschnitt verspätet. Oder, noch schlimmer: Oasis. Fußballhymnen und Stadionrock von alten Männern mit Schweißperlen über der Oberlippe. Wenig bescheiden, wenig uneindeutig, das. Aber halt, du jugendlicher Hipster, hör doch mal bitte was genauer hin. Hör doch diese komische Stimme an (Bernhard Sumner), ist die nicht gläsern und androgyn? Und was hat dieser seltsam treibende, aber trotzdem traurig tröpfelnde Bass von Peter Hooks in dieser Bierherrlichkeit verloren?
New Order kommen nicht von irgendwo, sie kommen aus Manchester. Als ihr erster Sänger Ian Curtis noch lebte, setzten sie mit Joy Division ein autoaggressives Statement gegen den Hass des Punk, und ihr Label Factory beeinflusste Bands wie die Happy Mondays, A Certain Ratio, The Smiths, The Cure und viele andere. Klaustrophobische, monotone Lieder, brutale Einsamkeit und irrationale Todessehnsucht waren kaum verwunderlich bei einer Band aus ehemaligen Fabrikarbeitern, die an der Schockstrategie von Punk festhielten und sich zum Beispiel nach dem Namen derjenigen Areale in Konzentrationslagern benannt hatten, wo sich Offiziere Frauen hielten. Joy Division waren die ersten, die genau die schwarze Romantik erzeugten, die in den Achtzigern bei den Gothics, der retrospektivsten Jugendkultur ever, offene Arme fand.
Umso schwieriger wurde es für den Rest der Band, als sich Ian Curtis umbrachte. Unter dem Namen New Order blieb die Musik der Band aufsässig und melancholisch, wurde aber fröhlicher und tanzbarer, integrierte Elektronik und entwickelte sich so zur Inspirationsquelle für Electronic Body Music und Acid, woraus später dann Techno wurde. Aber egal, ob ein Lied bei New Order eher Richtung Elektronik oder Akustik ging: Was diese Band unverwechselbar machte und macht, ist ihre überlegte Mischung aus Rhythmus und Melodie, militärisch eintönige Drums in zyklischen Schlaufen und vor allem Hooks tonangebender, gleichzeitig harmonisch und gehetzter ins Herz tropfender und in die Beine gehender Bass. Dies ergibt den perfekten, sich selbst tragenden Sound, ohne jemals dabei die Semantik aufzugeben, die Trauer, den Protest - sei es im Fall ihres größten Hits "Blue Monday" gegen den Falklandkrieg, sei es heute mit trotzigen Textzeilen wie: "Dont want to have to work like other people do. I wanted to be free. I wanted to be true."
Dazu dieser metaphysische Glanz der Pubertät, an dem New Order nicht aufgeben festzuhalten! Darum ist auch Nicolette Krebitz auf dem Cover der neuen Platte. Am Ende des Videos zu ihrem Hit "Crystal" verprügelt die echte Band eine Band aus schönen Teenagern, die zuvor ihren Hit "Crystal" zwar zu singen versucht haben, aber nicht verkörpern konnten.
SUSANNE MESSMER
New Order: "Get Ready" (London/WEA) taz Nr. 6537 vom 31.8.2001, Seite 14, 165 Kommentar, SUSANNE MESSMER, Rezension
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Source: www.taz.de |
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