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Get Ready (2001)
When your heart grows cold Als das Gerücht vor einiger Zeit umging, hielt die Musikwelt zumindest für ein Weilchen den Atem an: New Order, Nachfahren der grandiosen Joy Division und Pioniere des geschmackvollen Pops der Achtziger, und Billy Corgan, Kopf der dahingeschiedenen Smashing Pumpkins, hatten sich im Studio verabredet. Für die einen sollte es die erste Veröffentlichung seit dem '93er Album "Republic" sein, für den anderen der erste Laut seit dem sentimentalen Ende der Kürbisse. Die Blätter rauschten mit der Lizenz zum Gespanntsein.
Während Nicolette Krebitz uns vom Cover entgegen schaut, zeigen bereits die melancholischen Klänge der Vorabsingle "Crystal", daß New Orders Pop auch im Jahr 2001 dort weiter macht, wo es weh tut. War der Vorgänger ein durch und durch auf Beats getrimmtes und zudem oft schmerzlich süßliches Werk, gesellen New Order auf "Get ready" dem prägnantem Baßspiel und den schwebenden Keyboards wieder Sehnsüchte, Verzweiflung und verloren rockende Gitarren hinzu. Mehr als einmal kommen dabei wehmütige Erinnerungen an alte Zeiten auf. Sumners düstere Verse erzählen von Enttäuschung und naiver Hoffnung, stoisch schreitet der Rhythmus voran, und nur der verspielte Baß wirft eine Ahnung von Licht ins Dunkel.
"I don't wanna be like other people are." Ein trotziger Sumner stampft mit dem Fuß auf und findet mit Chicagos bekanntestem Glatz- und Sturkopf einen Verwandten im Geiste. Was sich auf "Machina", Corgans letzter offizieller Veröffentlichung nur angedeutet hatte, gelingt ihm nun mit den großen Helden zu herzergreifender Schönheit. Wie an einer Perlenkette reihen sich die Seufzer auf, die "Turn my way" in die Welt hinausläßt. "Thought that I was right."
Während im beinahe besinnlichen "Vicious streak" Erinnerungen an Großtaten wie "Elegia" wach werden, scheppert "Primitive notion" fast wie zu Zeiten, als noch Ian Curtis das Mikrophon in der Hand hielt. Selten war der Schatten der Joy Division deutlicher zu spüren. Unsanft rüpelt dann in "Rock the shack" Bobby Gillespie von Primal Scream herum und verschafft der Platte ihren einzigen Schwachpunkt. Glücklicherweise wetzen das wehmütig stolpernde "Someone like you", das aufmunternde "Close range" und das mit unvermuteter Akustikgitarre auftretende "Run wild" diese Scharte schnell wieder aus.
In seiner verzagten Geschlossenheit erwischt "Get ready" eine immer hektischer werdende Welt auf dem richtigen falschen Fuß. Gequältes Lächeln wird zur Kunstform erhoben. Zeilen wie "We're like crystal / We break easy" kriechen in ihrer Offenheit unter die Haut. Ganz nebenbei destilliert die Band die musikalische Essenz ihrer über zwanzigjährigen Karriere, um acht verlorene Jahre einfach wegzuwischen. Anderswo schlagen die Uhren längst Jahre weiter, doch hier fließt die Zeit langsam genug, um aus dem Kloß im Hals eine Melodie zu machen. Sanft seufzend verliert sie sich in sich selbst, um schließlich in Schönheit zu sterben.
(Oliver Ding)
Highlights: Crystal; Turn my way; Primitive notion; Close range
Tracklist: Crystal; 60 miles an hour; Turn my way; Vicious streak; Primitive notion; Slow jam; Rock the shack; Someone like you; Close range; Run wild (10)
Referenzen: Electronic; Monaco; Joy Division; Jesus Jones; EMF; The Frank And Walters; Rialto; The Psychedelic Furs; The Cure; The Smashing Pumpkins; Carter The Unstoppable Sex Machine; The Stone Roses; Republica; Bis; Curve; Soulwax; Duran Duran
Source: Oliver Ding (Plattentests Online - Germany) |
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